Thielemann verläßt Dresden

Es ist kein »unheimlich starker Abgang«, aber einer, der die internationale Musikwelt aufhorchen läßt: Christian Thielemanns Vertrag als Chefdirigent der Staatskapelle Dresden wird nicht verlängert!

Die sächsische Kulturministerin Barbara Klepsch hat ihre diesbezügliche Entscheidung am 10. Mai 2021 bekannt gegeben. Doch auch der Vertrag des Intendanten der Semperoper, Peter Theiler, wird nicht verlängert. Die Auseinandersetzungen zwischen dem Dirigenten und Theiler hatten auf dem Höhepunkt der Corona-Krise Schlagzeilen gemacht, weil Thielemann mit seinem Orchester für die Wiederaufnahme des Konzertbetriebs eine Probe zu Richard Strauss' Tondichtung Ein Heldenleben abhalten, was Theiler mit Verweis auf die Sicherheitsmaßnahmen im Zuge der Bekämpfung der Pandemie untersagte.

Nun hat die Kulturministerin entschieden, sich von beiden Herren zu trennen. Ihre Ankündigung am Montag Nachmittag lautete kryptisch: »Die Stille während der Corona-Krise läßt in den Hintergrund treten, daß wir bis heute auf eine erfolgreiche Intendanz von Peter Theiler und auf ein gutes Jahrzehnt der Sächsischen Staatskapelle Dresden mit ihrem Chefdirigenten Christian Thielemann zurückblicken. Für die Zukunft müssen wir heute Entscheidungen treffen.«

Warum bei einem solche »guten Rückblick« die Verträge der Verantwortlichen nicht verlängert werden - womit in der Musikwelt eigentlich gerechnet wurde - erklärt die Ministerin so: »Wir sehen dabei das, was heute gut ist und denken trotzdem an das Übermorgen der Oper. Und eine Oper in zehn Jahren wird eine andere als die Oper von heute sein: Sie wird teilweise neue Wege zwischen tradierten Opern- und Konzertaufführungen und zeitgemäßer Interpretation von Musiktheater und konzertanter Kunst gehen müssen.«

Es gehe darum, »die Anziehungsraft für das vielfältige Publikum zwischen gewachsenen Stammgästen und neuen Zielgruppen zu behalten oder zu steigern.« Das gelte auch für »das Verhältnis zwischen dem gewohnten Besuch im Opernhaus und der Nutzung digitaler Angebote.«

Für Christian Thielemann heißt das, daß er nun noch bis zum Sommer 2024 Chefdirigent in Dresden ist. Darüber, ob die Ausbootung von Orchester und Dirigent als Residenz-Ensemble bei den Salzburger Osterfestspielen ab 2024 die kulturpolitische Entscheidung in Dresden beeinflußt hat, kann nur spekuliert werden. Für den Dirigenten, der im Vergleich mit vielen Kollegen notorisch wenige Termine pro Spielzeit wahrnimmt, erleichtert das ab 2024 die Möglichkeit zu gastieren. Wie weit Wien davon profitieren wird, wo es mit den Philharmonikern eine Herzensbeziehung gibt, bleibt abzuwarten. Mit der Mailänder Scala gibt es, wie zu hören ist, bereits weitreichende Vereinbarungen.